
Eine Vielzahl von Behandlungsmethoden haben sich in den letzten Jahren dank verbesserter Verfahren in der Diagnostik und den Erkenntnissen durch Studienergebnissen in der Ödemtherapie ergeben. Es liegt an uns, immer weiter unser Wissen aufzuarbeiten und dieses Wissen auch anzuwenden, um den Patienten verbesserte ganzheitliche Therapieansätze zu bieten. Das Feld der Elektrotherapie ist im Ödembereich zum Teil etwas in Vergessenheit geraten. Neueste Studienergebnisse zeigen, dass der richtige Einsatz mit den richtigen Frequenzbereichen und Durchführung durchaus unseren Ödempatienten deutlich im Therapieprozess voranbringen kann.
Wir haben uns mit einer solchen Studie auseinandergesetzt. Die Charité Berlin hat in Bezug auf die Tiefenoszillation eine klare Aussage getroffen über den Einsatz der „Deep Oszillation“ (Tiefenoszillation) bei Lymphödempatienten.
Ein erfolgversprechendes Ergebnis, welches wir in unseren Praxisalltag mit integriert haben.
Wir haben für Sie in einem kurzen Überblick die wichtigsten Informationen zusammengestellt.
Wirkungsweise
Das technische Prinzip, welches hinter der Tiefenoszillation steckt, ist der Johnsen-Rahbek-Effekt. Beschrieben wird er als elektrostatische Anziehung, welche durch Anlegen einer elektrischen Spannung zwischen den Oberflächen eines schwach leitenden Materials und einem Metall entsteht. Die Kraft des elektrostatischen Feldes wirkt – anders als in der bekannten Elektrotherapie mit den unterschiedlichen elektrischen Strömen – direkt auf das Bindegewebe. Die entsprechenden Gewebeabschnitte werden angezogen und fallengelassen.
Betrachtung für die Lymphologie
Bedenkt man, dass dem Bindegewebe eine eher untergeordnete Rolle zugeschrieben wurde, ist es in der Lymphologie einer der Brennpunkte. Denn dort fallen die vermehrten Flüssigkeitsansammlungen an, die uns als Ödeme bekannt sind. Die Tiefenoszillation wirkt direkt im interstitiellen Bindegewebe ähnlich wie eine tiefe Bindegewebstechnik. Das Gewebe wird durch die andauernden Bewegungen und durch die verschiedenen Frequenzbereiche durchmischt und sanft gedehnt.
Wirkung
Es führt zur Normalisierung bzw. zur Gleichgewichtswiederherstellung zwischen dem andauernden Flüssigkeitsstrom, dem interstitiellen Gewebe, Lymph- und Blutbahnen. Mit dem Resultat, dass eine Regulierung von Schmerzzuständen und einer Wiederherstellung des gesunden Gleichgewichtes auch in bereits bestehenden Barrieregebieten stattfindet.
Fazit
Durch eine rhythmische Gewebeverformung wird das Gewebe durchgepumpt bzw. durchmischt. Durch diese Mobilisation kann die Beweglichkeit der einzelnen Fasern und Gewebeschichten optimiert werden. Folge ist ein verbesserter Abfluss und eine Regeneration der Versorgungsgebiete im Interstitium. Somit kann auch ein verbesserter Lymphabtransport durch bestehende Barrieregebiete generiert werden.
Wir setzten die Tiefenoszillation seit einigen Monaten ein und sind von der Wirkung überzeugt. Sprechen Sie uns gern an und erkundigen Sie sich.
Studienquellen zum Nachlesen und Recherchieren:
JAHR, S., SCHOPPE, B. AND A. REIßHAUER. Effect of treatment with low-intensity and extremely low-frequency electrostatic fields (Deep Oscillation ®) on breast tissue and pain in patients with secondary breast lymphoedema. J Rehabil Med 40:645-650 (2008). Institution: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dept. of Physical Medicine, Charité Campus Mitte, Berlin, Germany
Gasbarro V., Bartoletti R., Tsolaki E., Sileno S., Agnati M., Conti M., Bertaccini C. (2006): Role of Hivamat® (deep oscillation) in the treatment for the lymphedema of the limbs. EJLRP 16(48), 13-15.
Teo I., Coulborn A., Munnock D.A. (2016): Use of the HIVAMAT® 200 with manual lymphatic drainage in the management of lower-limb lymphoedema and lipoedema. Journal of Lymphoedema 11(1), 49–53.
Glossar
Interstitium – Zwischenzellraum / Raum zwischen den Zellen
Interstitiell – in den Zwischenräumen liegend

Frau Mönch ist eine erfahrene Lymph- und Ödemtherapeutin, die seit 2010 in Kliniken und Physiotherapien in diesem Schwerpunktgebiet tätig ist. Aktuell gründet sie eine physiotherapeutische Schwerpunktpraxis für die ambulante Behandlung von lymphologischen Krankheitsbildern in Erfurt.
Frau Mönch, zurzeit sind Patienten mit Lip- und Lymphödem aufgrund des Corona-Virus verunsichert, ob sie vielleicht zur Risikogruppe gehören. Sie sind Lymphtherapeutin und Gründerin des Lymphzentrum Erfurt. Können Sie uns hierzu eine Auskunft geben?
Ich kann Sie beruhigen: Lip- und Lymphödempatienten haben erst einmal kein anderes Krankheitsrisiko aufgrund ihres bloßen Ödems. Jedoch auch hier gilt: Sind Sie über 60 Jahre oder ist Ihr Immunsystem aufgrund von Vorerkrankungen oder aktuellen Erkrankungen geschwächt, so gehören Sie zu der Risikogruppe und müssen besonders aufpassen. Auch Menschen mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes oder Lungenerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko. Das Robert-Koch-Institut bietet auf seiner Internetseite für Interessierte konkrete Informationen zum aktuellen Stand der Forschung. Für diese Patienten gilt es in jedem Fall abzuwägen, ob sie Lymphdrainagen weiter nutzen oder in der nächsten Zeit davon Abstand nehmen. Im Zweifel sollten Sie dies mit Ihrem jeweiligen Arzt besprechen, um Nutzen oder Risiko einer weiteren Behandlung abzuwägen.
Was kann ich machen, wenn mein Arzt mir rät, lieber zu Hause zu bleiben oder meine Physiotherapie gar keine Lymphdrainagen mehr durchführen kann?
Auf jeden Fall sollten Sie Ihre Komprimierung kontinuierlich nutzen. Waschen Sie sie so oft wie möglich und ziehen Sie sie konsequent an.
Natürlich sollten Sie auf sämtliche Hygienemaßnahmen, wie regelmäßiges Händewaschen mit Seife, Nies-Etikette oder das Nutzen von sauberen Einwegtaschentüchern beachten. Auch die Reinigung und Pflege der durch Ödeme betroffenen Körperteile ist ein wichtiger Bestandteil der Hygienemaßnahmen. Zum Narben- und Wundmanagement stimmen Sie sich bitte gesondert mit Ihrem Arzt ab.
Auch Bewegung und leichter Sport in der Komprimierung hilft Ihnen, um Ihr Ödem in Schach zu halten.
„Erkunden Sie neue Sportarten, wie Yoga, auf Zehenspitzen die einzelnen Zimmer ablaufen, Tanzschritte im Wohnzimmer ausprobieren oder wieder tägliche Morgengymnastik vor dem geöffneten Fenster.“
Wenn Sie zusätzlich Ihre Achtsamkeit schulen möchten, probieren Sie es doch einmal mit Yoga. Ich arbeite beispielsweise gerade an einem kleinen Tutorial für Ödempatienten. Dieses soll als Video zirka Ende nächster Woche kostenlos auf der Internetseite www.Lymphzentrum-Erfurt.de abrufbar sein. Probieren Sie es doch einfach mal aus. Wichtig hierbei: überlasten Sie sich nicht. Es soll Sie nicht stressen und vor allem Spaß machen.
In jedem Fall ist es günstig, sich täglich Zeiten und Übungsroutinen zu planen, um in Bewegung zu bleiben und das Ödem positiv zu beeinflussen.
Wer bereits Erfahrung hat, wie er sich wickeln kann und an sich selber leichte Massagen oder sogar Lymphdrainagen durchführen kann, sollte dies jetzt regelmäßig durchführen.
Auch hier, wie bei jeder sportlichen Bewegung gilt: kein Stress und es soll nicht in Leistungssport aus- arten. Wer seinen Partner oder die Familie einbinden kann, sollte das in jedem Fall tun. Dann machen auch Wiederholungen Spaß.
Wenn ich aber doch zu meinem Lymphtherapeuten gehe, muss ich dann Angst haben, mich anzustecken?
Jeder Therapeut hat Hygienestandards ein zu halten, so muss die therapeutische Ausstattung regelmäßig desinfiziert werden. Und aktuell sollte dies sowieso nach jedem Patientenwechsel statt- finden. Gut belüftete Räume und ein Mundschutz, den der Therapeut benutzen sollte, können Ansteckungsrisiken reduzieren. Getrauen Sie sich ruhig, bei Ihrem Therapeuten nachzufragen, ob diese Standards gewährleistet werden können.
„Benutzen Sie als Risikopatient keine Stoff-Handtücher, sondern Einweg-Varianten. Nehmen Sie Ihre eigenen Getränke mit und meiden Sie das Wartezimmer. Kündigen Sie sich doch bei Ihrem Therapeuten oder Arzt telefonisch vorher an und warten Sie vor der Praxis, möglichst an der frischen Luft.“
Eine kleine Flasche Handdesinfektion sollte in jede Tasche passen. Sie können auch die Einweghandschuhe mitnehmen. Und wer auf Nummer sichergehen möchte, auch einen eigenen Kugelschreiber, um seine Unterschrift auf dem Rezept zu leisten.
Sollten Sie sich momentan nicht wohlfühlen und möchten lieber zu Hause bleiben, so können Sie aufgrund der aktuellen Regelungen ihre Behandlung bis zunächst zum 30.April aussetzen.
Frau Mönch, vielen Dank für Ihre Tipps. Können Sie uns noch etwas auf den Weg mitgeben, was wir berücksichtigen können?
Bitte verzichten Sie auf den Frühjahrsputz. Das kann durchaus zu einer verstärkten Wärmeentwicklung im Gewebe und somit zu einer akuten Ödem Verschlechterung oder zu einer Manifestation des Ödems führen. Organisieren Sie daher Ihren ungewohnten Tagesablauf strukturiert und gönnen Sie sich unbedingt ausgewogen Bewegung, Ruhe und Zeit für Ihre im Haushalt lebende Familienangehörige.
Wer auch weiterhin arbeiten muss: Bitte Ruhen Sie sich nach Ihrem Dienst oder Ihrer Schicht aus. Tanken Sie Kraft. Legen Sie die Beine hoch und lassen Sie sich von Ihrer Familie verwöhnen.
Verschlechtert sich Ihr Ödem, nehmen Sie in unbedingt Kontakt mit Ihrem Arzt auf und besprechen Sie mit ihm weitere Behandlungsmöglichkeiten.
Genießen Sie die Möglichkeit, sich im Ernährungsbereich zu belesen und neue Kochrezepte auszuprobieren um eine ausgewogene Ernährung zur fördern. Gönnen Sie Ihrer Haut die Aufmerksamkeit und Pflegen. So können Folgeschäden reduziert werden. Sehen Sie diese „kleine Auszeit“ nicht als Last, sondern als Chance, sich auf sich zu konzentrieren. Seien Sie achtsam zu sich selbst! Und genießen Sie den erwachenden Frühling! Die Natur zeigt uns gerade, wie gut sie ohne uns leben kann. Entdecken Sie diese Momente!
Frau Mönch, vielen Dank für das Interview!
(Das Interview wurde am 27. März 2020 telefonisch mit Andrea Grassow, Landessprecherin Thüringen, geführt. Das Interview ersetzt keine ärztlichen Konsultationen und bietet keine Gewähr auf Vollständigkeit zum Umgang mit COVID-19)